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unsere Juli 2014 story

23.07.14

Bilder

Seit gestern sind wir wieder im Flachland, nach fast vier Wochen in den Bergen von Tuschetien. Wir wollten eigentlich länger in Tuschetien bleiben, aber wegen einem Problem mit dem Bremach kehrten wir zurück. Wir konnten den Bremach nicht mehr starten und mussten uns zweimal anziehen lassen. Wahrscheinlich ist die Batterie altersschwach.

Nun der Reihe nach:
Nach zwei Tagen in Stepanakert gings nördlich, dann westlich durch einen Teil von Bergkarabach. Wir besuchten dabei die Klöster Gandzasar und Dadivank. Von hier gings über den Pass Sotk (Zod, 2400 müM) zurück zum Sevansee und somit zurück nach Armenien. Beim letzten Kontrollposten vor dem Pass mussten wir tatsächlich die Papiere vorweisen, die wir uns in Stepanakert beschafft hatten.

Vom Sevansee aus fuhren wir über Dilijan, Vanadzor und Spitak nach Gyumri im Nordwesten von Armenien. Bei Spitak war 1988 das Epizentrum eines schrecklichen Erdbebens. Angaben über die Opferzahlen gehen weit auseinander. Häufig werden 25'000 Tote genannt. Andere Quellen nennen deutlich höhere Zahlen. Wir besuchten in Spitak das Denkmal an dieses Erdbeben, auf einem Hügel über der Stadt gelegen. Die Stadt ist wieder aufgebaut. Schäden sahen wir nur wenige. Aber die Treppen den Hügel hoch zum Denkmal sind in einem erbärmlichen Zustand. Die meisten Stufen sind kaputt und viele sind überwachsen. Es scheint, dass sich die Bevölkerung nicht an dieses Erdbeben erinnern will und deshalb das Denkmal völlig vernachlässigt.

Auch die Stadt Gyumri war von diesem Erdbeben stark betroffen, aber weniger als Spitak. Hier sahen wir noch sehr viele Schäden und Bauruinen. Der Hauptplatz aber sieht schmuck aus, die grosse Kathedrale am einen Ende davon ist allerdings noch im Wiederaufbau.

Von Gyumri reisten wir zurück nach Georgien, nach dreissig Tagen in Armenien und Bergkarabach. Es war fast wie ein Nachhausekommen. Sieben km nach der Grenze machten wir gleich für vier Tage Halt, am See Mada (Madatapa). Wir parkierten direkt am Wasser und hatten somit verschiedene Wasservögel (wir kannten sie leider kaum) direkt vor unserer Nase, auch einen Pelikan. Eine grosse Gruppe Pelikane zog es leider vor am gegenüberliegenden Ufer zu wassern. Der See liegt ca 2100 müM.

Der nächste längere Aufenthalt (drei Tage) war in Didgori. Hier besiegte König David IV im Jahre 1121 die Seldschuken. Mit dem Sieg begann die sog. 'Goldene Zeit' des georgischen Mittelalters. Nun ist dieser Ort eine grosse Gedenkstätte, mehrere km2 umfassend. Im Zentrum sind auf einem Hügel meterhohe metallene Schwerter in den Boden gesteckt, und in der Umgebung sind Kriegerfiguren aufgestellt, diese ebenfalls meterhoch und metallen. Ebenso beeindruckend war die hügelige Landschaft und die Aussicht. Wir hatten Glück. Ganz unerwartet konnten wir eines Morgens die lange Bergkette des Grossen Kaukasus in klarem Licht sehen, sogar den Kasbek (5047 m), dieser 104 km entfernt. Didgori liegt ca 40 km westlich von Tbilisi und ca 1600 müM.

Anschliessend besuchten wir erstmals die Stadt Mtskheta. Mtskheta existiert seit über 3000 Jahren. Fast 1000 Jahre und bis zum 6. Jh. war Mtskheta die Hauptstadt des iberischen Reiches, einem Vorgängerstaat des heutigen Georgien. Die Kathedrale (Swetizchoweli, 1010 bis 1029 erbaut) ist sehr gross, imposant. Die Kulturdenkmäler von Mtskheta gehören zum UNESCO-Welterbe.

Nach drei Tagen in Tbilisi gings in Etappen nach Tuschetien. Letztes Jahr reichte die Zeit nicht mehr für diese Gegend. So nahmen wir uns den Besuch für dieses Jahr vor. Nun war es soweit.

Tuschetien:
Tuschetien ist ein Berggebiet im Nordosten von Georgien, im Grossen Kaukasus, im Länderdreieck Georgien, Dagestan, Tschetschenien. Hier sind viele Täler, oft sehr steil, die in verschiedenste Richtungen verlaufen. Die Hänge sind entweder bewaldet oder Weideland. Die Dörfer sind oft an steilen Hängen, viele sind verlassen, nur noch Steinruinen. Die Berge sind weniger hoch, imposant und majestätisch als jene die wir letztes Jahr in Swanetien sahen. Trotzdem, die Landschaft ist einmalig schön. Wir sahen sehr sehr viele Schafe, viele Kühe und Pferde, aber kein einziges Schwein. Die Tuschen essen hier kein Schweinefleisch. Die gleichen Leute jedoch züchten in den Dörfern im Tal Schweine und essen auch ganz normal Schweinefleisch, nur hier oben in den Bergen darf man das nicht. Es gibt hier eben noch viele pagane Traditionen. So dürfen sich zum Beispiel Frauen 'Heiligen Stellen' nicht nähern. Eine 'Heilige Stelle' können Kirchenreste, ein Gerichtsplatz oder einfach ein Steinhaufen sein. Ein anderes Beispiel: Frauen dürfen nicht in Gebäude hineingehen oder hineinschauen, in denen Bier gebraut wird. So wurden wir im Dorf Chigho darauf aufmerksam gemacht, dass wir wegen Monika nicht an einem bestimmten Haus vorbeilaufen dürften, sondern einen Umweg hintenrum zu machen hätten. Selbstverständlich hielten wir uns daran. Die einzige Zufahrt nach Tuschetien ist über den Abano Pass. Im Winter, das heisst hier für sechs bis sieben Monate, ist der Pass geschlossen. Nur per Helikopter ist die Reise dann noch möglich. Und dies, so nehmen wir an, auch nur für Notfälle und das Militär. (In Omalo, dem Hauptort von Tuschetien, ist eine kleine Militärbasis.) Die meisten Bewohner kehren im Herbst mit ihren Tieren zürück ins Flachland, vorwiegend nach Alvani (in Kachetien). Einige wenige bleiben auch im Winter, in Chigho zum Bsp. ein einziger Mann. Seine Frau und Kinder kommen für den Sommer wieder hoch, die Familie betreibt dann ein kleines Gästehaus. Wir besuchten die Familie dort auf einem Tagesausflug (zu Pferd, mit Führer, dieser zu Fuss). Wir stationierten uns bei den Dörfern Omalo, Dartlo und Chesho (zwischen 1800 und 2000 müM), sowie auf einem kleinen Sattel zwischen Omalo und Dartlo. Die meisten Trekker die wir unterwegs antrafen kamen, wie erwartet, aus Tschechien und Polen. Sogar ein paar Radfahrer schafften es bis nach Tuschetien, zum Beispiel aus Italien und Zürich.

Die Fahrt über den Abano Pass (2850 müM):
Wie erwähnt, die einzige Zufahrt nach Tuschetien ist über den Abano Pass. Es ist die höchste Strasse in Georgien und wurde erst 1978 fertiggestellt. Vorhher war also das ganze Gebiet nur zu Pferd oder zu Fuss erreichbar. Ab dem letzten Dorf (Lechuri, in der Ebene, ca 520 müM) nur noch Naturstrasse, und 36 km Fahrt bis zur Passhöhe. Dort blieben wir für zwei Nächte. Bei Ankunft war's neblig, aber am nächsten Morgen schon hatten wir beste Aussicht. Wir sahen die verschneiten, vereisten Berge, d.h. die Grenze zu Tschetschenien. Vom Pass bis zum Hauptort Omalo waren es noch 28 km. Es war die wohl spektakulärste Passfahrt für uns. Blicke in den Abgrund waren nicht beängstigend, sondern faszinierend. Aber es gab schon ein paar Momente der Anspannung, bei Bachdurchfahrten, bei Fahrt auf blankem Fels in Schräglage oder bei gar engen und steilen Kurven. (Leitplanken gab es übrigens auf der ganzen Strecke keine.) Aber wir schafften die Hin- und Rückfahrt problemlos. Bei der Rückfahrt (103 km bis Telavi, 7 Stunden Unterwegssein) stellten wir (sicherheitshalber wegen dem Batterieproblem) den Motor nie ab, auch nicht, als wir auf dem Pass von Georgiern zu einem Picknick eingeladen waren.
Der TV Kanal 'BBC Two' hat im Jahr 2012 in der Serie 'World's Most Dangerous Roads' die Fahrt über den Abano Pass vorgestellt.

Seit gestern also sind wir in der Stadt Telavi, im Flachland von Kachetien (720 müM) und haben Sommerwetter bei Temperaturen über 30 Grad. Eine neue Batterie für den Bremach ist bereits gekauft. Heute das fast Unglaubliche: Ein Mann erzählte Paul, er sei mit dem Kleinwagen Nissan Micra nach Tuschetien gefahren. Als Beweis zeigte er ein Foto. Da steht der Micra in Omalo vor einem Gästehaus das wir kennen. All die Reiseberichte die wir kennen schreiben 'nur mit 4WD Fahrzeug möglich'. Nach unserer Fahrt waren wir auch dieser Meinung. Und dann fährt einer mit einem Micra dorthin. In Georgien ist eben nichts unmöglich.

Wir werden nun wohl bald ein zweites Mal nach Armenien reisen.

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