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unsere September 2013 story

24.09.13

Bilder

Im Moment sind wir bei Gudauri, im Norden Georgien's. Wir warten hier auf gutes Wetter für die Fahrt über den Kreuzpass (Jvaris ugheltechili oder Krestovy pereval, 2379 m) und dann weiter Richtung Stepantsminda (Kazbegi).

Nach drei Tagen in Tbilisi ging es weiter, nordwärts, mit dem Ziel Chewsuretien (Chewsurien, Khevsureti). Der erste Halt war beim See Bazaleti, nach 55 km Fahrt, noch weit entfernt vom Grossen Kaukasus. Wir blieben zwei Tage, parkiert bei einem kleinen Badestrand und Restaurant.

Der nächste Halt war bei Gudrukhi, am nordöstlichen Ende des grossen Stausees Zhinvali. Dann folgten wir dem Fluss Pshavis Aragvi aufwärts und in ein Seitental nach Shuapkho. Unser Standort war wieder am Wasser, direkt am Fluss. Dies war unser letzter Ort in der historisch-geografischen Region Pshavi.

Der nächste Halt war in Gudani, bereits in Chewsuretien. Das Dorf liegt an einem Berghang, besteht nur aus ein paar Häusern (plus einem Guest House für Rucksack-Touristen) und ist nun im Herbst von vielen Heustöcken umgeben. Unser Standort war direkt an der Strasse (wir suchen ja immer ein einigermassen flaches Plätzchen), mit bester Sicht talabwärts und in die Berge im Westen. Da praktisch kein Verkehr war (ein paar wenige Fahrzeuge pro Tag) hat uns der Standort gar nicht misfallen.

In der traditionellen Berglandwirtschaft liegen übrigens die Dörfer für den Sommer tiefer und jene für den Winter höher, in der Nähe der Heustöcke. Scheunen für das Heu gibt es nicht.

Nach zwei Tagen in Gudani fuhren wir über den Kreuzbärenpass (Datvis-Jvaris, 2676 m) bis nach Schatili, eine für uns schon grössere Etappe (42 km). Sie war sehr interessant. Der Kreuzbärenpass liegt auf dem Hauptkamm des Grossen Kaukasus. Nach dem Pass waren wir also schon auf der Nordseite dieses Gebirges. Vom Pass Richtung Süden fliesst das Wasser über die Flüsse Aragvi und Mtkvari (Kura) und durch Tbilisi und Aserbaidschan ins Kaspische Meer. Vom Pass Richtung Norden fliesst der Arghuni über Schatili nach Tschetschenien. Bei Groznyi mündet er in den Terek, das Wasser fliesst also ebenfalls ins Kaspische Meer.

Schatili ist ein Wehrdorf aus dem Mittelalter. Die Häuser sind eng zusammengebaut und nur sehr schmale Gassen trennen sie, wenn überhaupt. So ist das ganze Dorf wie eine Festung, eine Burg. Dies war auch der Zweck dieser Bauweise. In den 1970er Jahren wurden die Leute umgesiedelt, in neue Häuser ganz in der Nähe. Dann zerfiel das Dorf zu einer grossen Ruine. Seit Jahren sind aber Restaurationsarbeiten in Gange. Nun gibt es sogar ein Guest House für Touristen, vier Zimmer und Balkon auf der obersten Etage eines der Türme. Die Raumverhältnisse sollen sehr eng sein, das Uebernachten aber ein Erlebnis, berichtete uns ein Paar aus Deutschland. Wir aber übernachteten wie gewohnt im Bremach, ein paar hundert Meter flussabwärts (schon wieder an einem Fluss, diesmal dem Arghuni).

Die Grenze zu Tschetschenien war 3 km von uns entfernt. Dort ist ein Schlagbaum über die Naturstrasse zu sehen, ein einfaches Schild mit einem Hinweis auf Georgisch und 'Do not cross', aber weit und breit kein Mensch. Der Posten der Georgischen Grenzsoldaten ist am steilen Berghang auf der anderen Seite des Flusses Arghuni, ein paar hundert Meter entfernt. Die Soldaten haben natürlich den Ueberblick. Von der Gegenseite ist nichts zu sehen. Der Posten der Russischen Föderation ist irgendwo flussabwärts. An der Grenze zu einem Land zu stehen, wo die Bevölkerung in jüngster Vergangenheit zwei schreckliche Kriege erleben musste (1994-96 und 1999-2009) hat uns schon berührt. Die Hülle eines grossen russischen Helikopters, abgestürzt oder eher abgeschossen, ist nun in einen Schafstall integriert (später gesehen im Bergdorf Ardoti).

Nach zwei Tagen in Schatili gings 13 km weiter nach Mutso, in einem Seitental des Arghuni gelegen, auch nur 4 km von der Grenze entfernt. Mutso ist ein Wehrdorf wie Schatili, liegt aber auf einem Bergvorsprung ca 200 m über dem Fluss und ist nur noch Ruine. Unser Standort war direkt neben dem Posten der Grenzsoldaten bei der Brücke über den Fluss Andaki. Zwei Trekkingrouten führten bei uns vorbei, in zwei verschiedene Täler. (Eine davon ist die klassische Route von Stepantsminda nach Omalo in Tuschetien.) So wussten wir wer wohin wanderte und woher die Leute kamen (falls wir fragten, was Paul meistens tat). Die meisten kamen aus Israel und Polen. Wir wanderten nach Ardoti, einem weiteren chewsuretischen Wehrdorf. Hier ist noch ein einziges Haus bewohnt, mit neuen Fensterrähmen (Doppelverglasung) versehen. Auf dieser Wanderung beobachteten wir Kühe auf einem eher speziellen Heimweg. Sie überquerten einen ziemlich stark fliessenden Fluss. Verloren sie den Boden unter den Füssen und wurden von der Strömung abgetrieben fanden sie nach vielleicht 10 m irgendwie wieder Tritt und wateten weiter Richtung Ufer (siehe Bild). Die kleine Grasfläche auf der anderen Flussseite schien die Mühe offensichtlich wert. Wahrscheinlich wählten sie diese Weidefläche auch nicht zum ersten Mal.
Die zwei Soldaten von unserem Grenzposten bei Mutso packten jeweils Punkt 19 Uhr zusammen und zogen ab in ihr Quartier, für uns versteckt am Berghang gelegen. Danach hielten wir alleine die Stellung bei Posten und Brücke.

Nach drei Tagen in Mutso kehrten wir auf die Südseite des Grossen Kaukasus zurück, wieder über Schatili und den Kreuzbärenpass, der einzigen Möglichkeit. Der erste Halt war im Bergdorf Roschka. Auch dieses war, wie Gudani, von vielen Heustöcken am Berghang umgeben. Auch hier, wie in Gudani, war unser Standort direkt an der kaum je befahrenen Strasse, mit schöner Sicht in die Berge. Auch hier: Niemanden scheint es zu stören, dass da einfach ein Fahrzeug von Touristen steht. Wir blieben hier drei Tage.

Die Landschaft in Chewsuretien ist ganz anders als in Swanetien. Die Berge, obwohl auch Teil des Grossen Kaukasus, sind viel weniger imposant, weniger hoch. Gletscher und schneebedeckte Berge waren kaum zu sehen. Trotzdem hat uns die Landschaft ebensogut gefallen, mit den vielen weichen, bewachsenen Bergen, den vielen engen und oft bewaldeten Tälern, den vielen Flüssen.

Nach Roschka gings auf bekannter Strecke talabwärts Richtung Stausee Zhinvali. Der letzte Aufenthalt in Chewsuretien war in Korsha. Hier waren wir für eine Nacht in einem Guest House, zusammen mit fünf Touristen aus Polen. Der nächste Halt war in Chargali, bereits wieder in der Region Pshavi, auf einem grossen Picknickplatz. Wir besuchten das Museum für Wascha-Pschawela (Vazha-Pshavela, 1861 - 1915). Er war Schriftsteller, Naturphilosoph und Vertreter der georgischen Nationalbewegung. Er wurde in Chargali geboren und kehrte später hierhin zurück.

Beim Stausee Zhinvali trafen wir wieder auf die Georgische Heerstrasse (sie ist die Hauptverbindung von Georgien nach Russland) und fuhren nordwärts via Ananuri und Pasanauri nach Gudauri. Gudauri ist der bekannteste Skiort Georgien's, auf 2200 m gelegen. Gudauri war ursprünglich eine Poststation, wo die Postkutschen zwischen Tbilisi und Wladikawkas (in Russland) die Pferde wechselten. Wir sind etwas oberhalb des Ortes installiert, auf 2252 m (letzte Nacht fiel die Temperatur auf 1.8 Grad), auf einem grossen Parkplatz bei einem grossen leerstehenden Gebäude, und warten wie erwähnt auf gutes Wetter für die Fahrt über den Kreuzpass.

02.09.13

Bilder

Seit gestern sind wir wieder in Tbilisi. Nach 139 Tagen und ca 2200 km Fahrt kehrten wir zurück in die Hauptstadt Georgien's. Die Reise ging zuerst in den Süden - dann in den Südwesten - Westen - Nordwesten - und zurück.

Nach zwei Tagen in Oni gings südwestlich Richtung Kutaissi. Der Grosse Kaukasus, die hohen Berge, verschwanden und die Landschaft wurde hügelig.

Wir besuchten die Bischofskirche Nikortsminda, erbaut in den Jahren 1010 - 1014. Die Fassaden stellen den Höhepunkt der georgischen Steinmetzkunst dar.

Anschliessend waren wir zwei Tage am See Shaori. Wir hatten hier drei junge Leute aus der nahen Stadt Ambrolauri als unsere Nachbarn. Das kleine Igluzelt stellten sie zuvorderst auf einem Betonsockel über dem Wasser auf (siehe Bild). Uebernachtet im Zelt hat allerdings nur der Mann.

Das Kloster Gelati (in der Nähe von Kutaissi) liess König Dawit der Erbauer errichten. Der Grundstein wurde 1106 gelegt. Die angeschlossene Akademie der Wissenschaften sollte die kulturelle Einheit Georgiens, die Wissenschaften und die Künste fördern, Zentrum des geistigen Lebens des georgischen Mittelalters sein. Der Unterricht war nach dem Vorbild der Akademie von Konstantinopel (dh Geometrie, Arithmetik, Musik, Astronomie sowie Grammatik, Rhetorik und Dialektik). Zeitgenossen sollen Gelati als 'ein zweites Jerusalem' und 'ein neues Athen' gepriesen haben. Der Ort wurde bereits 1510 erstmals zerstört, von den Türken, und natürlich wieder aufgebaut. Von den Kommunisten wurde das Kloster geschlossen. 1988 wurde es wieder eröffnet. Der Gründer König Dawit ist hier begraben. Georgiens Präsident Micheil Saakaschwili hat einen Tag vor seiner Vereidigung, am 24. Januar 2004, am Grab Dawits geschworen, dass er sich dafür einsetzen will, Georgien wieder zu einem vereinten und starken Land zu machen. Leider ist dies noch nicht realisiert. Wir blieben zwei Tage hier.

Nur wenige km entfernt ist das Kloster Motsameta. Dieses ist sehr schön gelegen, auf einem steilen Felsvorsprung über dem Fluss Tskaltsitela, in einem bewaldeten und engen Tal. Das Kloster Motsameta ist einer der historisch berühmtesten christlichen Wallfahrtsorte Georgiens. Zwei Brüder, Konstantin und Dawit, erhoben sich im 8. Jh. gegen die Schreckensherrschaft Murwans des Tauben. Die Reliquien der beiden sind hier aufbewahrt. Unser Standort war ein paar Meter oberhalb des Bahntrassees, das sich nebst dem Fluss noch durch diesen Talabschnitt drängt, mit schöner Sicht auf das Kloster. So konnten wir auch gut in die Güterwagen sehen. Sie transportierten Steinkohle aus dem Abbaugebiet um Tkibuli.

Auf der Strecke Kutaissi - Tbilisi fuhren wir viel auf Nebenstrassen und so auch über den Surami Pass (949 m). Dort blieben wir zwei Tage in einer Waldlichtung, weil es so angenehm kühl und schattig war.

Südlich von Gori (dem Geburtsort von Stalin, das entsprechende Museum besuchten wir nicht) gings nochmals in ein Seitental, nach Didi Ateni und der nahen Kirche Ateni Sioni. Hier war die Landschaft karg, mit ausgetrockneten Feldern. Ein grosser Gegensatz zu vorher.

Nun sind wir wieder in Tbilisi, in einer privaten Unterkunft. Wir bleiben vielleicht drei Tage. Auf dem Programm: Wäsche waschen und Einkäufe tätigen, von dauerhaften Lebensmitteln die man in den Berggebieten kaum kriegt (zum Beispiel Haferflocken und Sultaninen für ein Müesli zum Frühstück).

Dann gehts wieder in die Berge, zurück in den Grossen Kaukasus, diesmal aber direkt nordwärts. Das erste Ziel ist Chewsuretien (Chewsurien, Khevsureti).

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