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unsere August 2013 story

21.08.13

Bilder

Im Moment sind wir in Oni, in der Region Ratscha (und in der Verwaltungsregion Ratscha-Letschchumi und Niederswanetien).

Nach fünf Tagen auf der Alp gings zurück nach Mestia und dann in verschiedene Orte und Täler der näheren Umgebung. So waren wir auch im Bergdorf Cholashi, für fünf Tage, zur Abwechslung in einer Privatunterkunft mit Verpflegung. Hier trafen wir den Zahnarzt Andreas und die Dentalhygienikerin Trü, beide aus Bern. Sie unterstützen im Ambulatorium das lokale Team und bilden dieses auch weiter. Sie machen dies für die Organisation 'Pro Mestia Georgia' und für maximal einen Monat. Wir durften sogar bei der Behandlung einer jüngeren Frau im Ambulatorium anwesend sein, schön brav auf einer kleinen Holzbank sitzend.

Eine Woche später war unser Standort auf einer Graskuppe unterhalb des Berges Tetnuldi, auf 2500 m. Von hier aus konnten wir unser 'Zahnarztdorf' Cholashi sehen, 870 m tiefer gelegen und 5.7 km entfernt, sowie frisch verschneite Kaukasus-Berge.

Nach einem zweiten Aufenthalt in Ushguli verliessen wir Oberswanetien (Zemo Svaneti), nach 57 Tagen in dieser Region. Es war an Paul's Geburtstag. Wir fuhren von Ushguli über den Pass Zagar (Zagaro, Sagar, 2623 m) nach Unterswanetien (Kvemo Svaneti), nach Mele. 40 km in 5 Stunden (kurze Pausen miteingerechnet). Die Naturstrasse bis zum ersten Tal nach dem Pass war ziemlich gut und besser als erwartet. Dann aber, dem Fluss Koruldashi entlang bis Mele, meistens miserabel. Ein normaler PW hätte sie nicht bewältigen können. Wärend der ganzen Fahrt trafen wir folgende Fahrzeuge: Ein Motorrad (aus Polen) und zwei Fahrräder (ebenfalls von Touristen).

In Unterswanetien machten wir noch Halt in Muashi und in Lentekhi.
Muashi (Moaschi, Lemzagori) ist ein Touristendorf oberhalb des Dorfes Sasashi, auf 1360 m gelegen. Eine grosse Waldlichtung, von Nadel- und Laubbäumen umgeben, eine Mineralwasserquelle, am Waldrand mindestens 12 zweistöckige Holzbungalows, ein paar Steinhäuser, und Ausgangspunkt für Wanderungen in die Lechkhumi Berge. Besser gesagt, Muashi war ein Touristendorf. Alle Holzbungalows sind kaputt, Türen, Fensterrähmen, elektrische Installationen zum Teil herausgerissen. Die Steinhäuser sind halbe Ruinen und dienen Kühen und Geissen als Unterschlupf, Schattenspender. Vom ehemaligen Restaurant ist nur noch das Fundament zu sehen. Das moderne, runde (und in einem Reiseführer von 2010 noch schön aussehende) Gebäude dient als Kuhstall. Sehr schade! Diese Veränderung kam nach der Unabhängigkeit von Georgien (1991). Vorher war sicher über Jahrzehnte hier im Sommer reger Betrieb, mit vielen Besuchern aus Russland. Die Mineralwasserquelle wird aber noch täglich besucht, das Wasser auch sackweise in Petflaschen abgefüllt. Dies gab für uns eine Gelegenheit zu Gesprächen. Waldarbeiter fuhren morgens und abends vorbei, hupten und winkten. Nachts waren wir alleine (wie an vielen unserer Standorte). Den Ort, die Natur, die Ruhe genossen wir sehr und blieben drei Tage hier.
In Lentekhi, einem grösseren Dorf, nahmen wir für zwei Nächte eine Privatunterkunft mit Verpflegung. Die Gastgeberin war sehr damit beschäftigt, Vorrat für den Winter anzulegen. Unzählige grosse Gläser Brombeeren und Bohnen wurden auf dem Holzofen im Garten sterilisiert und anschliessend mit einem Metalldeckel verschlossen. Dazu diente ein kleines handliches Gerät das wir nicht kannten. Unsere Gastgeberin war früher in Augsburg, als au-pair. Dann folgten ihr zwei jüngere Schwestern dorthin. Die dritte ist immer noch in Augsburg, mit dort abgeschlossenem Studium. Von vier Geschwistern haben also drei eine mehrjährige Deutschlanderfahrung. Den Ehemann einer der Schwestern lernten wir kennen. Er studierte Geschichte, arbeitet jetzt bei der Stadtreinigung in Kutaissi und ab Januar 2014 auf einer Fischfarm in Norwegen, für zwei Jahre. Seine Frau und die zwei kleinen Töchter wird er zurücklassen.
In Lentekhi besuchten wir auch das Heimatmuseum.

Dann gings bereits in die Region Ratscha. Unser erster Standort hier war beim Dorf Orbeli, auf einem kleinen Picknickplatz, etwas erhöht über dem Fluss Lajanuri, mit guter Sicht talaufwärts und in die Lechkhumi Berge. Die Polizei kam uns besuchen, das erste Mal seit langem, und gab uns die Telefonnummer für denn Fall, dass wir Probleme hätten (was bis jetzt in Georgien nie der Fall war).

Der nächste Halt war beim Dorf Tsesi, 10 km östlich von Ambrolauri. Hier parkierten wir auf einer Sandbank direkt am Fluss Rioni. Auf einem Felsvorsprung direkt hinter uns und ca 10 m höher gelegen war die berühmte Kirche Barakoni (1753 erbaut). Die Burgruine Mindatsikhe war ebenfalls nahe und in Sichtweite.

Der Fluss Rioni ist der Phasis der griechischen Antike. Jason soll den Fluss aufwärts gefahren sein, vom Schwarzen Meer her kommend, mit dem Schiff Argo und seinen Argonauten, auf der Suche nach dem Goldenen Vlies. Der altgriechische Historiker und Geograph Strabo hielt den Zug der Argonauten für eine historische Tatsache. Wenn dem so ist, bezweifeln wir, ob Jason bis nach Tsesi kam. Viele Stromschnellen gibts hier im Rioni (Phasis).

Nach einem kurzen Aufenthalt in Ambrolauri reisten wir weiter Rioni-aufwärts, dann in ein Seitental und nach Shovi (Schowi). Shovi ist ein Kurort (auch in Georgien und in der russischen Sprache wird dieses Wort so verwendet), liegt auf 1500 m und ist umgeben von Wald und Bergen. Auf dem grossen Parkgelände sind Häuser, Hotels, Bungalows und mehrere Mineralwasserquellen. Im Gegensatz zu Muashi ist aber nicht alles zerfallen. Die Bungalows sind in Betrieb, zwei Hotels ebenfalls. Ein drittes Hotel steht ausserhalb des Parkgeländes und wurde erst im Juni 2013 wiedereröffnet. Wir durften uns auf dem Gelände installieren. Unsere nächsten Nachbarn waren ein paar Bäume und der demolierte Sockel eines Monuments für Stalin. Der Kurort wurde 1929 gegründet. Zur Sowjetzeit soll es hier 15 - 20 Sanatorien gehabt haben. Von hier aus führen auch Wanderwege, sogar markierte. Die Distanz zu Südossetien ist 3.2 km, zu Nordossetien (in der Russischen Föderation) 8.6 km und zum Mamison-Pass (2820 m) genau 10 km. Die Strasse geht von hier weiter zum Mamison-Pass und somit auch nach Nordossetien. Spätestens seit dem Krieg um Südossetien (2008) ist sie aber geschlossen, und wird dies leider auch noch lange bleiben. Es gefiel uns hier. Fünf Tage warteten wir auf gutes Wanderwetter. Am sechsten, dem letzten Tag, konnten wir eine gute Tour machen, in Richtung der Grenzberge. Die Sicht war zwar nicht ideal, aber die Gletscher Buba und Tbilisa konnten wir gut sehen. Begegnet war uns niemand.

Im Moment sind wir in Oni, auf dem Rückweg nach Ambrolauri. Der Ort soll bereits in der Bronzezeit bewohnt gewesen sein. Später war er Hauptstadt des Fürstentums Ratscha. Am 29.04.1991 wurde Oni vom schwersten in diesem Teil des Kaukasus je registrierten Erdbebens stark zerstört. Oni war lange Zeit eines der bedeutendsten Zentren der georgischen Juden. Der Ort hatte die drittgrösste jüdische Gemeinde in Georgien (nach Tbilisi und Kutaissi). Wieso sich diese Gemeinschaft so weit abseits und in den Bergen niederliess wissen wir leider nicht. Heute leben nur noch wenige Juden hier, wenn überhaupt. Die meisten sind ab 1990 ausgewandert. Wir besuchten die erstaunlich grosse Synagoge (aus den 1880er- bis 1890er-Jahren stammend).

Noch ein Nachtrag zum traditionellen Haus von Swanetien (machubi genannt):
Wir konnten uns in Mestia zwei solche Häuser ansehen. Beide sind nun Museen. Das schönere ist jenes der Familie Margiani, aus dem 12. Jh. stammend.
Wir versuchen hier eine Beschreibung eines solchen Hauses (siehe auch das Bild):
Ebenerdig und innerhalb der gleichen Mauern sind sowohl Wohnraum wie auch Stall. Im Zentrum ist der Wohnraum. Darum herum, auf zwei oder mehr Seiten, ist der Stall. Der Stall ist vom Wohnraum abgetrennt durch Futterkrippen und halbhohe Holzwände (diese mit schönen Schnitzereien). Ueber dem Stand-/Liegeplatz der Tiere ist eine Holzdecke. Darauf schliefen die Bewohner. So konnten sie von der Körperwärme der Tiere profitieren. Im zentralen Bereich, dem Wohnraum, ist eine offene Feuerstelle. Eventuell ist darüber eine quadratmetergrosse Steinplatte horizontal aufgehängt. Diese diente als Wärmespeicher. Im Wohnraum gibt es je eine Holzbank für Männer, Frauen und Kinder. Für das Familienoberhaupt gibt es einen grossen, thronartigen Stuhl (ebenfalls mit schönen Schnitzereien). Dieser steht natürlich an prominentester Stelle. Der Eingang ins Haus ist der gleiche für Mensch und Tier. Im kurzen engen Korridor gings dann für die Tiere nach rechts oder links, für die Bewohner geradeaus. Haustiere waren Kühe und Schafe. Pferde hatten im Haus keinen Platz. Immer gab es eine geheime Türe zum Wehrturm.

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