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unsere März 2007 story

02.03.07

Nachdem das Wohnen organisiert war, haben wir uns um die Sprache gekümmert. Wir hatten wiederum Glück. In der 2. Woche begann bereits ein Bosnisch-Kurs an der Soros-Sprachschule, abends, 2 mal die Woche. Wir sind ein Dutzend Schüler und Schülerinnen. Die anderen vertretenen Länder sind: Italien, Frankreich, Deutschland, Schweden, Griechenland, USA und Kanada. Die meisten Mitlernenden arbeiten bei internationalen Organisationen (Rotes Kreuz, EU Kommission), NGO's oder Hilfswerken. Eine Woche später haben wir zusätzlich noch mit Privatstunden begonnen, tagsüber, auch 2 mal die Woche.

Nachdem also auch das Lernen organisiert war gingen wir auf die Suche nach Bibliotheken. Nun sind wir eingeschriebene Benützer im (Deutschen) Goethe-Institut, im British Council und im Bosniaken-Institut. So haben wir genügend Lesestoff, auf Deutsch und Englisch.
Beim British Council ist die Eingangskontrolle zur Bibliothek wie an einem Fughafen vor dem Abflug: Tasche oder Tagesrucksack durch den Tunnel, alle Metallgegenstände in ein Körbchen, bis es beim Durchschreiten des Bogens nicht mehr piepst.
Beim Bosniaken-Institut können wir die ausgewählten Bücher im Lesesaal lesen, aber nicht nach Hause nehmen. Dieses Institut wurde 1988 in Zürich gegründet und ist ab 2001 in Sarajevo. Der Gründer, Zulfikarpasic, lebte viele Jahre in der Schweiz (und vielleicht immer noch.) Der Zweck des Institutes: Förderung des Kulturerbes, der historischen Wahrheit von Bosnien und Herzegowina, sowie der Kultur der Bosniaken, verbunden mit enstsprechender Bildung und Forschung. Das Institut ist in einem neuen, modernen Gebäude. Ein altes türkisches Hamam (Bad) gehört aber auch dazu. Dieses wird nun als Konferenz- und Konzertraum benützt.

Februar und März findet das internationale Festival 'Sarajevo Winter' statt, mit vielen kulturellen Veranstaltungen (Musik, Theater, Ausstellungen, Filme). Im Festival-Katalog haben wir über 100 Veranstaltungen gefunden. Sarajevo scheint dem Ruf einer Kulturstadt gerecht zu werden. Von diesem grossen Angebot haben wir bereits besucht: Bläser-Ensemble aus Zagreb (Kroatien), Steicher-Quartett aus Izmir (Türkei), Musik von Mittelalter & Renaissance aus Belgrad (Serbien), sowie zwei Fotoausstellungen (über Sarajevo und über Landschaften von Bosnien, letztere unterstützt vom schweizerischen SECO). Auf unserem Programm stehen sicher noch: Das Belgrader Philharmonie Orchester, Filme wärend der Japanischen Klassischen Filmwoche, und, bereits nach dem Festival, das Royal Stockholm Philharmonic Orchestra (Plätze dazu haben wir bereits reserviert).

Ab und zu haben wir sogar noch Zeit um fernzusehen. Neben vielen Sendern aus dem Balkan empfangen wir u.a. auch ARD und Al Jazeera, auf Englisch. Dieser arabische Sender bringt Reportagen, Beiträge aus der ganzen Welt, mit Schwerpunkt Naher und Mittlerer Osten. Sehr interessante Interviews, Diskussionen mit Jounalisten, Politologen, Fachleuten über verschiedenste Themen. Al Jazeera ist unser TV Favorit.

Gestern 1. März war Unabhängigkeitstag. Am 29.2./1.3.1992 fand das Referendum betreffs Unabhängigkeit von Bosnien und Herzegowina statt. Gemäss unserem Lehrer ist dieser Gedenktag eher ein trauriger Tag. Nur wenige Tage nach dem Referendum hat ja der Krieg langsam begonnen, und bis 1995 gedauert. Wir fanden immerhin etwas Beflaggung in der Stadt.

Ausflüge in die Umgebung von Sarajevo haben wir noch nicht gemacht. Wir haben ja Zeit, um auf wärmere Tage, oder auf solche mit mehr Schnee zu warten. Der Schnee ist im Moment nur auf weiter entfernt liegenden Bergen zu finden. Das Wetter hier ist in letzter Zeit auch eher schlecht. Doch kalt ist es nicht. Erste Sträucher blühen, die Parks werden langsam grün, ab und zu sitzen Leute schon wieder im Strassencafe.

Kurzum: Wir haben unseren Alltag hier in Sarajevo, wir fühlen uns sehr wohl, und es geht uns gut.

Aber auch für Sarajevo gilt: Es ist nicht alles Gold was glänzt. Wir sehen auch Bettler, meistens ältere Frauen, auf dem Trottoir sitzend, an einer Hausecke oder irgendwo, still und in sich versunken, die Hand ausstreckend. Oder wir sehen Leute im Quartier, die den Abfallcontainer nach irgendwas Brauchbarem durchwühlen.
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